Lesbare Häuser? Thomas Bernhard, Hermann Burger und das Problem der Architektursprache in der Postmoderne
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ID Serval
serval:BIB_B54AB866819C
Type
Thèse: thèse de doctorat.
Collection
Publications
Institution
Titre
Lesbare Häuser? Thomas Bernhard, Hermann Burger und das Problem der Architektursprache in der Postmoderne
Directeur⸱rice⸱s
Von Arburg Hans-Georg
Détails de l'institution
Université de Lausanne, Faculté des lettres
Adresse
Faculté des lettres
Université de Lausanne
CH-1015 Lausanne
Université de Lausanne
CH-1015 Lausanne
Statut éditorial
Acceptée
Date de publication
2016
Langue
allemand
Résumé
Das Verhâltnis von Architektur und Sprache ist nicht erst im Lichte des neueren literaturwissen- schaftlichen .spatial' oder ,architectonic turns' intrikat: Seit dem 18. Jahrhundert ist die Frage, wie Sprache Raumgestaltung anleiten kann und gebauter Raum umgekehrt als Zeichensystem lesbar ist, ein Gegenstand architekturtheoretischer und poetologischer Ûberlegungen. Die Metapher ei- ner Lesbarkeit der Architektur hatte in der Postmoderne ihre letzte grosse Konjunktur und er- regte damit nicht zufàllig auch ein literarisches Interesse.
Elias Zimmermanns Studie untersucht die Konstellation von Literatur und postmoderner Archi¬tektur anhand zweier exemplarischer Romane: Thomas Bernhards Korrektur (1975) und Her¬mann Burgers Schilten (1976). Die Untersuchung verkniipft ein breites diskursanalytisches und metaphorologisches Interesse mit einem konkreten close reading, in dem sich die Texte als Refle- xionsmedien problematischer architektonischer Kommunikation erweisen. Die Romanprotagnis- ten versuchen auf unterschiedliche Weise ihre Lebenswirklichkeit mithilfe von Gebàuden mitzu- teilen und aktiv umzuschreiben. In Korrektur erbaut der Naturwissenschaftler Roithamer ein ke- gelfôrmiges Wohngebàude fur seine Schwester. Als diese nach der Fertigstellung stirbt und Roit- hamers daruber verfasste Rechtfertigungsschrift misslingt, begeht der „Baukunstler" Selbstmord. Die „vollkommene" Entsprechung zwischen Schwester, Bau und Schrift wurde von ihm anhand einer komplexen Architekturphysiognomik verfolgt, der Kegel kann aber nur die unmôgliche (ar- chitektur-)sprachliche Mitteilbarkeit seiner Gefiihlswelt illustrieren. Im historischen Kontext kommentiert Korrektur so die postmoderne Renaissance kunstphysiognomischer Konzepte (Hans Sedlmayr, Adolf Max Vogt u.a.). Sprachphilosophisch reagiert der Roman auf Ludwig Witt- gensteins Spàtwerk, das sich mit der „Physiognomie" sprachlicher Bedeutung auseinandersetzt. In Schilten schreibt der Landschullehrer Schildknecht einen „Schulbericht" ùber seinen skurrilen Kampf gegen den Friedhof, der sich in direkter Nachbarschaft seines Schulgebàudes befindet. Schildknecht versteht das Haus als Modell seiner tragischen Lebenssituation, er verliert sich zu- sehends in der Beschreibung architektonischer und menschlicher Masken und wird wahnsinnig. Die architektonische Stilpoetik seines Berichts verdankt sich nicht nur der nachmodernen Ana¬lyse architekturhistorischer Stilsprachen (Georg Germann, Bernhard Hoesli u.a.). Die Maske von Schildknechts ,Haus des Seins' liest sich insbesondere als Kritik an der Sprach- und Kunstkonzep- tion Martin Heideggers. Das architektonisch-sprachliche Kunstwerk birgt hier kein ,gelichtetes Sein', sondern nur noch wahnsinnigen Schein.
In den beiden Romanen stehen sich zwei komplementàre, scheiternde Episteme gegeniiber. Sehnt sich Roithamer in Korrektur nach der Authentizitàt des architektonischen Ausdrucks, so dreht sich Schilten um die Beschreibung einer kunstlichen Stilmaske, die gerade in ihrer Uneigentlich- keit das Entscheidende ausdrucken soll. Im grôfteren Zusammenhang erscheinen die Oberflà- chenàsthetik einer Stilmaske und das Versprechen einer physiognomischen Architektur als zwei Pôle eines Spektrums architekturtheoretischer Strômungen der 1960er bis 1980er Jahre. Die Un¬tersuchung endet darum mit einem historischen Ausblick auf die postmoderne ôsterreichische Architekturavantgarde (Hans Hollein), die Architekturphànomenologie (Otto Bollnow, Christian Norberg-Schulz) und den Dekonstruktivismus (Jacques Derrida, Bernard Tschumi). Die Kritik, welche die beiden Romane an der Metapher lesbarer Hàuser uben, wird so abschliefêend auch in ihrer diskurgeschichtlichen Relevanz hervorgehoben.
Elias Zimmermanns Studie untersucht die Konstellation von Literatur und postmoderner Archi¬tektur anhand zweier exemplarischer Romane: Thomas Bernhards Korrektur (1975) und Her¬mann Burgers Schilten (1976). Die Untersuchung verkniipft ein breites diskursanalytisches und metaphorologisches Interesse mit einem konkreten close reading, in dem sich die Texte als Refle- xionsmedien problematischer architektonischer Kommunikation erweisen. Die Romanprotagnis- ten versuchen auf unterschiedliche Weise ihre Lebenswirklichkeit mithilfe von Gebàuden mitzu- teilen und aktiv umzuschreiben. In Korrektur erbaut der Naturwissenschaftler Roithamer ein ke- gelfôrmiges Wohngebàude fur seine Schwester. Als diese nach der Fertigstellung stirbt und Roit- hamers daruber verfasste Rechtfertigungsschrift misslingt, begeht der „Baukunstler" Selbstmord. Die „vollkommene" Entsprechung zwischen Schwester, Bau und Schrift wurde von ihm anhand einer komplexen Architekturphysiognomik verfolgt, der Kegel kann aber nur die unmôgliche (ar- chitektur-)sprachliche Mitteilbarkeit seiner Gefiihlswelt illustrieren. Im historischen Kontext kommentiert Korrektur so die postmoderne Renaissance kunstphysiognomischer Konzepte (Hans Sedlmayr, Adolf Max Vogt u.a.). Sprachphilosophisch reagiert der Roman auf Ludwig Witt- gensteins Spàtwerk, das sich mit der „Physiognomie" sprachlicher Bedeutung auseinandersetzt. In Schilten schreibt der Landschullehrer Schildknecht einen „Schulbericht" ùber seinen skurrilen Kampf gegen den Friedhof, der sich in direkter Nachbarschaft seines Schulgebàudes befindet. Schildknecht versteht das Haus als Modell seiner tragischen Lebenssituation, er verliert sich zu- sehends in der Beschreibung architektonischer und menschlicher Masken und wird wahnsinnig. Die architektonische Stilpoetik seines Berichts verdankt sich nicht nur der nachmodernen Ana¬lyse architekturhistorischer Stilsprachen (Georg Germann, Bernhard Hoesli u.a.). Die Maske von Schildknechts ,Haus des Seins' liest sich insbesondere als Kritik an der Sprach- und Kunstkonzep- tion Martin Heideggers. Das architektonisch-sprachliche Kunstwerk birgt hier kein ,gelichtetes Sein', sondern nur noch wahnsinnigen Schein.
In den beiden Romanen stehen sich zwei komplementàre, scheiternde Episteme gegeniiber. Sehnt sich Roithamer in Korrektur nach der Authentizitàt des architektonischen Ausdrucks, so dreht sich Schilten um die Beschreibung einer kunstlichen Stilmaske, die gerade in ihrer Uneigentlich- keit das Entscheidende ausdrucken soll. Im grôfteren Zusammenhang erscheinen die Oberflà- chenàsthetik einer Stilmaske und das Versprechen einer physiognomischen Architektur als zwei Pôle eines Spektrums architekturtheoretischer Strômungen der 1960er bis 1980er Jahre. Die Un¬tersuchung endet darum mit einem historischen Ausblick auf die postmoderne ôsterreichische Architekturavantgarde (Hans Hollein), die Architekturphànomenologie (Otto Bollnow, Christian Norberg-Schulz) und den Dekonstruktivismus (Jacques Derrida, Bernard Tschumi). Die Kritik, welche die beiden Romane an der Metapher lesbarer Hàuser uben, wird so abschliefêend auch in ihrer diskurgeschichtlichen Relevanz hervorgehoben.
Création de la notice
22/12/2016 9:56
Dernière modification de la notice
25/11/2020 7:10